Das Piemont ist wohl einer der schönsten Landstriche Italiens, den wir mit dem Rad erkundet haben. Es vereint vieles, was wir an Italien so schätzen. Mediterranes Klima, gutes Essen und edle Weine, eine harmonische Landschaft, die gerade für Radfahrer ein gut geeignetes Gelände darstellt.
Für diejenigen, die diese Tour oder Teile davon nachfahren wollen, gibt es hier den kompletten Tourenverlauf. Und vielleicht am informativsten dazu die Radlertipps Piemont.
Reis, Reis, Reis... Unser Ausgangspunkt, die Poebene um Vercelli herum, ist das Reisanbaugebiet Europas. Endlose Weiten mit grün-gelben Halmen, nicht unbedingt etwas für's Auge, wohl aber für den Gaumen. Denn nirgendwo haben wir so leckeres Risotto gegessen wie hier.
Als Radler würden wir von der Poebene eher abraten. Zwar leicht und flott zu durchfahren, alles topfeben, aber langweilig und von etlichen, stark befahrenen Straßen durchzogen.
Die Anreise ins Piemont war nicht ganz unbeschwerlich. Man kann sehr einfach mit dem Auto oder der Bahn nach Mailand und Turin fahren und dort starten. Wir haben diese Tour jedoch mit einer Überquerung des San Bernardino Passes verbunden. Wer sich für die Strecke von Chur in der Schweiz bis nach Vercelli interessiert, der klicke auf nebenstehenden Link - lohnt sich.
Barolo, Barbera, Barbaresco...
Man muss sich schon ein bißchen plagen, um zu sehen, wo diese edlen Tropfen ihren Ursprung haben. Meist sind Hänge von 200 - 400 m Höhe zu bewältigen. Aber die Anstiege sind im Vergleich zur Toskana gemäßigt und immer von schönen Ausblicken belohnt. Die bekannten Dörfer selbst sind oft nur große Weingenossenschaften, nicht so prächtig wie die Landschaft drumherum. Wer schöne Städtchen sehen will, dem seien La Morra und Monforte d'Alba empfohlen.
Das Herz des Piemont ist das grüne Hügelland, das sich unterhalb der Poebene von Turin bis zum Mittelmeer hinzieht. Den flacheren Teil im Norden, das Monferrato, haben wir auf unserem Weg von Casale Monferrato nach Asti und von dort nach Acqui Terme mehrfach durchquert.
Weinberge, kurvige Sträßchen, kleine Dörfer, die wie an die Hänge geklebt erscheinen, einsame Bauernhöfe, dazwischen auch einmal ein Castello ... und kaum Autoverkehr!
Natürlich gibt es für solch ein vom Massentourismus verschontes Juwel weder einen gescheiten Reiseführer, geschweige denn einen, der Radtouren beschreibt. Dafür gibt es aber - man glaubt es kaum - Wanderkarten, die bestens für unsere Zwecke geeignet sind. In unseren Radlertipps sind sie beschrieben und die Bezugsquellen genannt. Außerdem finden Interessierte dort die von uns gefahrenen Touren.
Das höhere Hügelland im Süden, die Langhe, ist noch reizvoller. Über der Silhouette von Weinbergen liegt morgens oft Dunst und Nebel. Sie ziehen sich entlang der sanften Hügeln, die von kleineren Flüssen durchschnitten werden und bilden zusammen mit Wäldern und Haselnußplantagen ein abwechslungsreiches Landschaftsbild. Kommt man höher hinauf sind die Hügel von einem Mischwald aus Akazien, Kastanien, Pinien und Eichen bedeckt. Kleine Dörfer liegen auf den Kuppen und bieten bei klarem Wetter herrliche Ausblicke: nach Westen zu den Alpen mit dem Monviso und dem Montblanc; nach Osten in die Täler des Belbo und des Tanaro. Nach Norden schweift der Blick weit über die Poebene.
Hier sollte der Schwerpunkt eines Radurlaubes gewählt werden. Wer die Anstrengung nicht scheut, dem sei das Erklimmen der Höhenstraße zwischen Bossolasco und Benevello (von Alba aus ca. 600 Hm) empfohlen. Dort sind die nebenstehenden Fotos entstanden - come sono belli!
Unterkünfte haben - wir wie auf allen anderen Italien-Touren - nicht vorgebucht. Das war auch bis auf eine Ausnahme nicht notwendig. In dem kleinen Weindorf Monforte d'Alba, wo ein Meisterkoch namens Felicin sein Unwesen treibt und Unmengen Gourmets anzieht, sind wir tatsächlich einmal nicht untergekommen und mussten eine Ortschaft weiterfahren.
Das war aber auch die einzige Ausnahme. In Alba wäre noch anzumerken, dass das Angebot an Hotelbetten nicht allzu groß ist. Hier kann man aber auf Privatzimmer ausweichen. Mehr dazu in den Radlertipps.
Alba, die sog. Trüffel-Hauptstadt, ist die einzige touristisch erschlossene Stadt. Nur hier findet man Geschäfte, die am traditionellen giorno di chiusura (Ruhetag = Montag!) geöffnet haben, weil Touristen durch die Stadt bummeln.
Sie kommen, um die Geschlechtertürme, den backsteinfarbenen Dom oder das ockerfarbene Municipio zu bestaunen. Uns gefiel neben den Bauwerken vor allem die großräumige Fußgängerzone, die viele Plätzchen zum Verweilen bietet. Zudem ist Alba eine günstiger Ausgangspunkt für Touren in die Langhe. Die Stadt ist im Gegensatz zu Asti kleinmaßstäblich, also einfach alles mal zu Fuß abklappern.
Meiden würden wir Alba in der ersten Oktoberhälfte, wenn dort das weiße Trüffelfieber ausgebrochen ist.
Checosa desidera?
Als antipasto vielleicht eine Bagna cauda mit Grissini oder Peperoni ripieni oder vielleicht einfach nur Antipasti misti. Danach als primo piatto Risotto ai funghi porcini oder mögen Sie lieber Pasta: z.B. selbstgemachte Nudeln Tajarin, gefüllte Agnolotti oder Kartoffelklösschen namens Gnocchi con salsa verde?
Als Secondo bestimmt einen Brasato al Barolo oder lieber ein Coniglio al rosmarino. Oder verzichten wir doch zugunsten der unglaublichen Käseauswahl, die hier zusammen mit einer süß-scharfen und würzigen Konfitüre (Mostardo) serviert wird. Und zum Schluß könnte man ja noch ein Panna cotta, eine Zabaione, oder einfach nur einen Cafe vielleicht mit einem Grappa aus der Destilleria Berta nehmen.
Was das kennen Sie nicht! Na dann gibt es ja noch ganz andere Gründe für das Piemont außer dem Radfahren. Buon appetito!
Roter Backstein ist viel typischer für Asti als der bei uns so bekannte süße Sekt. Übrigens: Wer in der Hauptstadt des Monferrato einen Asti spumante bestellt, braucht keine Sorge zu haben. Er bekommt einen leckeren Prosecco kredenzt - secchissimo versteht sich. Schon deshalb ist es keine schlechte Idee, sich gegen Abend zu den Einheimischen zu gesellen, die dann zahlreich unter den den Arkadengängen der großen Palazzi sitzen. Es ist Zeit, sich ein Glas Vino (meist bianco) zu genehmigen, zu dem im Preis inbegriffen leckere kleine Häppchen - stuzzichini - serviert werden.
Die Stadt ist die größte im Monferrato, trotzdem hat sie Charme. Die Plätze und Märkte laden zum Cappuccino ein. Die Via Cavour lockt mit schönen Geschäften, stolze Palazzi mit großen Arkaden prägen das Stadtbild und rund um die Piazza S. Secondo entdeckt man viele romantische Winkel und Gassen.
Mai sei der ideale Monat für Radtouren in Italien, meinen auch wir. Nur für das Piemont mag das nicht so uneingeschränkt gelten. Da sind die Herbstmonate September und Oktober bestimmt genauso reizvoll, wenn das Laub sich färbt, die Weinlese beginnt und nicht nur die Pilze die üppige Speisekarte nochmals bereichern. Im Übrigen haben wir die piemontesische Küche nicht als überteuert kennengelernt. Im Gegenteil: ein Mehrgängemenü incl. einer guten Flasche Wein für 60 € ist doch o.k. - oder?
Last not least wollen wir dem Piemontbesucher zwei Städtchen ans Herz legen, die neben den großen Attraktionen, die jeder Reiseführer nennt, oft vergessen werden. Vielleicht sind sie gerade deshalb so schön geblieben. Acqui Terme - eine alte Römersiedlung mit heißen schwefelhaltigen Quellen, von den eine mitten in der Stadt ist. Ein dicht verwobenes Geflecht an Altstadtgassen, das sich durch die großzügige Fußgängerzone von der Piazza Italia zum Duomo hinaufzieht. Und nicht zuletzt etliche hübsche Geschäfte und Lokalitäten. Fahren Sie mal hin.
Genauso sehenswert ist Saluzzo, das im Westen des Piemonts am Fuss des Monviso liegt. Allerdings ist die Fahrt dorthin sehr verkehrsreich und für Radler nicht gerade attraktiv.
Es gibt aber auch einige Dinge, die man nicht gesehen haben muß. Auf Turin, wo unsere Tour endete, hätten wir z.B. locker verzichten können. Höchstens man begeistert sich für FIAT über FIAT, die in dieser Riesenstadt aber auch wirklich überall hinein- und hindurchfahren dürfen. Da hatten wir doch die Tage zuvor viel, viel Schöneres gesehen.