Mittwoch, 12. Mai 2010
Matera - Lago San Giugliano - Grassano - Tricarico
67 km 1.130 Hm
Die Region Basilikata gibt löblicherweise einen deutschsprachigen Radreiseführer heraus. Es gibt ihn vor Ort in vielen Touristen-Infos. Diejenigen, die schon mehrere Touren davon gefahren sind, schätzen ihn. Wir haben dagegen wohl eine Niete gezogen. Das erste Stück unserer Fahrt von Matera Richtung Potenza haben wir nach ihm ausgerichtet. Hätten wir unserer Nase nach gleich die alte SS 7 genommen, wäre es eine Traumstrecke geworden.
Wetter war wieder gut. Aus Matera über die große Via Aldo Moro auf die neue SS 7, die problemlos aus der Stadt abwärts ins Bradanotal führt. Dort folgt man der Beschilderung Diego San Giugliano und gelangt auf ein einsames Sträßchen, das 14 km lang am Nordufer des Stausees auf und ab führt. Kein Auto, kein Mensch, kein Tier, nur Weizenfelder. Wir waren es schnell satt. Wir fahren kurz im Bradanotal weiter und entscheiden uns dann vor Grassano auf die alte Kammstraße SS 7 hochzufahren. Eine sehr richtige Entscheidung.
Schlagartig ändert sich Landschaft und auch unsere Stimmung. Zwar sind 300 Hm bis zum Ort zu überwinden, dafür folgt aber ein landschaftlicher Leckerbissen: weite Blicke links auf die Silhouette der Lukanischen Dolomiten, rechts ins Tal mit großartigen Sandsteinabbrüchen und Erosionsgebieten. Ständige Begleiter ist jetzt die ganze Frühlingspracht: roter Klee, gelber Ginster und vor allem lilafarbene Wicken. In Grassano finden wir die erste Bar nach 30 km, danach tolle Abfahrt auf einen Sattel und sanfter Anstieg bis Tricarico. Zum Schluss kurze Abfahrt und schöne Einfahrt in die kleine Stadt, insgesamt kaum Verkehr. Vitales Örtchen auf 700 Hm. Blöderweise wieder so ein Patronatsfest.
Dringende Empfehlung an Nachfahrer: Von Matera gleich nach Miglionico auf die SS 7 und mit ihr auf dem Höhenkamm weiter.
Unterkunft: Locanda Italia im Zentrum, 35 €, Einrichtung wie in den 50ern, mit Bad auf dem Flur, Sitzwanne zum Duschen, aber alles sauber. Das modernere B&B war wegen des Stadtfestes belegt. Räder neben Öl, Wein und Eingelegtem ins kühle magazzino der Oma (großer Vorratsraum).
Abendessen: Il Tettaio - ging so.
La Passeggiata - sehen und gesehen werden
Eine der typischen Gepflogenheiten des Südens ist die Passeggiata. Oberhalb von Rom kennt man sie nicht.
Ab 18 Uhr geht es los. Zuerst hört man es . Die Ragazzi fahren schon mit Autos und Vespas lärmend und hupend in der Stadt herum, als wäre Italien noch einmal Weltmeister geworden. Dann sieht man es. Die Carabinieri sperren die zentralen Straßen und Gassen des Zentrum, die jetzt zur Flaniermeile umfunktioniert werden. Und dann geht man hin. Es kommen alle, jeden Abend, je kleiner der Ort ist desto zuverlässiger.
Man läuft die Straße rauf und runter, grüßt die Nachbarn, hält hier ein Schwätzchen oder schaut da in ein Geschäft hinein. Man kommt in guter Gardarobe und hat die ganze Sippe mit dabei und zeigt natürlich gerne Neues. Fast 2 Stunden geht das bunte Treiben so und ist auch für uns Betrachter, die still auf der Piazza sitzend einen Prosecco und einige Stuzzicchini genießen, sehr unterhaltsam.
So gegen 8 ist dann langsam Schluss. Man geht noch kurz al bar und dann um 9 kann man ja mal Essen gehen.