Montag, 21.5.2012
63 Km, 600 Hm
Ist die Strecke am ionischen Meer schon ganz nett, so ist das Gegenstück auf der adriatischen Seite echt sehenswert. Die salentinische Murgia erhebt sich von vielen Fjorden zerschnitten immer wieder bis zu 100 Meter über das Meer und die SS 173 nimmt dankbar jede Erhebung auf. So kommen bis Otranto 600 Hm auf 60 km zusammen, die ich jederzeit nochmals fahren würde – tolle Strecke!
Doch daran glaubten wir morgens in der Bar alle nicht. Denn während das Regional-TV schönstes Wetter vorhersagt, tröpfelt es aus grauen Wolken. Nördlich von uns sieht der Himmel heller aus. Da wir nicht aus Zucker sind, brechen wir kurzerhand in diese Richtung auf. Bis Gagliano del Capo nehmen wir die direkte SS 275. Dort erwischt uns ein kräftiger Schauer, den wir in der Bar aussitzen. Dann fahren wir ab zur Küstenstraße SP 158 und 10 Minuten später bricht das schönste Wetter aus: Sonne, Wärme und gar noch ein kräftiger Südwind (Rückenwind).
Herrliche Panoramen, flache Steigungen, lange Abfahrten und immer wieder nette Örtchen machen diese ruhige Strecke bis ins mondäne S. Cesarea Terme zu einem Hochgenuss. Auch ein Abstecher nach Tricase lohnt.
Die schönste Bucht ist die von Porto Badisco, wo wir einen Badestopp einlegen. Dann geht es in die etwas entrückt anmutende, karge Landschaft das Capo d’Otranto. Wir machen einen Abstecher zum Farbspektakel einer aufgelassenen Bauxitgrube. Dann geht’s hinunter und hinein nach Otranto, das ich von einem Sprachaufenthalt vor einigen Jahren gut kenne. Dort hatte ich einen Zahnarzt ausfindig gemacht. Und trotz der schönen Strecke war das dann nochmals eine Steigerung.
Tolles Hotel, netter Abend, gelungener Tag.
dal Dentista
Wissen Sie, wer der erste Zahnarzt war, der in ganz Italien eine eigene Praxis eröffnet hat? Nein. Dann gehen Sie doch einmal in Süditalien zum Zahnarzt. Wobei, hingehen ist nicht das richtige Wort. Denn in der Regel ist da keiner. Geregelte Sprechzeiten gar mit Anmeldung oder Arzthelferinnen, sind nicht unbedingt üblich. Man ruft beim Dottore auf der angegebenen Handynummer an und bekommt statt eines Termins eher eine Art Zeitkorridor genannt; z.B. dopo le sette also irgendwann nach sieben. Das kann vieles bedeuten, in meinem Fall 19.45. Man wartet vor der hübschen Villa, bis der Dottore im Mercedes vorfährt. Nette Begrüßung, Personal ist nicht üblich, der Dottore macht alles selbst. Das Fachliche ist rasch erledigt und gibt keinen Grund zur Beanstandung.
La chiacchierata (small talk) ist ausgiebiger. Eine halbe Stunde lang erfährt man alles: Über die mangelnde Einstellung der Kollegen, die schlechten Arbeitsbedingungen, die unfähige Politik... und natürlich auch über die erfolgreiche Familiengeschichte. Direkt neben der spanischen Treppe in Rom hat nämlich der Uronkel annodazumal die erste Praxis in ganz Italien eröffnet und eine Dynastie erfolgreicher Zahnärzte begründet. Man selbst ist dabei der erfolgreichste, hat man doch gleich drei Praxen parallel. Und so steigert sich das von Minute zu Minute. Obwohl mir das ja ein Riesenvergnügen ist, muss ich nach 30 min doch aufs Tempo drücken. Denn meine Mitreisende wartet aufs Abendessen und hat kein Verständnis für meine Schwatzhaftigkeit.
Also schnell noch bezahlt, contante (cash), völlig korrekt mit ricevuta fiscale, 50 € für ein einfaches Provisorium - ich fand, das war es wert.
Unterkunft:
Hotel Albania, Via San Francesco di Paola, Otranto
unter Schweizer Leitung, also alles pikobello und stilvoll, tolle Dachterasse als Frühstücksraum, 80 €, Räder in Garage... empfehlenswert
Abendessen:
Ristorante da Sergio, unter Blinden ist der Einäugige König
weiter zur nächsten Etappe: Otranto - Lecce - Ostuni